Ein Ende mit Schrecken?

 

 

 

Über Amélie Nothomb kann kaum genug geschrieben werden: seit Jahrzehnten erstaunt die belgische Autorin mit außergewöhnlichen Themen, die nicht selten manche Genre- und auch teilweise Geschmacksgrenze überschreiten. Stets begleitet wird sie hierbei von einem herausragenden Talent, Nichtigkeiten zu etwas Wertbaren aufzubauen und auch wieder, bei Bedarf, einreißen zu können.

In “Happy End” widmet sich Nothomb nun zum zweiten Male einer beinahe als “entstellt“ zu bezeichnenden häßlichen Figur, deren optische und körperliche Mängel es kaum zulassen, von einem normalen Leben zu träumen. Bereits zuvor, in Attentat, wählte Nothomb einen verunstalteten Protagonisten, der in jenem Buch seinen Weg in die Modeszene gehen wollte. In Happy End interessiert sich Déodat, so heißt der mit Unglück gestrafte Kerl, für Vögel, aber im Großteil des Buches vor allem für sich selbst, seine Wirkung auf andere, sowie der Frage danach, wie er sich, trotz seines gewaltigen Intellekts, in die nur mäßig begabte Gesellschaft integrieren kann.

Damit Déodat aber nicht alleine in diesem Buch vor sich hin häßlicht – denn dies scheint zu weiten Teilen das einzige Thema zu sein – stellt ihm Nothomb mit der überaus schönen Trémiėre eine Protagonistin zur Seite, die in völlig anderen Lebensumständen aufwächst als er. Sie wird von allen zunächst für ihre Schönheit bewundert, aber mit einer solchen Gefühlswelle kommt auch zugleich der Neid und die Missgunst daher. So unterschiedliche ihre Lebenswege auch sein mögen, verrät der Klappentext bereits, dass sich die beiden eines Tages begegnen werden und was daraus folgt, gibt auch schon der Titel des Buches Preis.

Happy End zeichnet sich vor allem durch außergewöhnliche Charakterzeichnungen aus, da sich Nothomb nicht zu schade ist, sowohl auf Seiten der Hauptfiguren Genrestandards stilvoll zu durchbrechen, als auch auf Seiten der anderen Figuren den LeserInnen und der Menschheit im allgemeinen einen Spiegel vorzuhalten. Nur zu deutlich wird, wie verabscheuungswürdig der soziale, jedoch inhumane Zwang ist, andere nur nach ihrem äußeren Erscheinungsbild zu beurteilen und das eigene Verhalten darauf abzustimmen. Damit dies jedoch nicht in Schieflage gerät und der schönen Trémiėre ein paradiesisches Leben zugeschrieben wird, trifft auch sie auf die Schattenseiten eines guten Aussehens.

Nothomb widmet sich hierbei unterschiedlichen Perspektiven mit einer Leichtigkeit und Akkuratesse, dass man sich wünschte, die Geschichte wäre länger als die 173 Seiten, die ihr leider nur vergönnt ist. Hervorzuheben sind vor allem die, für die Autorin typischen, schnippischen, aber äußerst pointierten Dialoge, die stets über eine eigene, oftmals unerreichte Dynamik verfügen.

Umso bedauerlicher ist es, dass der Klappentext die Erwartungshaltung schürt, man könne ein gewisses Vorgeplänkel erwarten, dann die Begegnung der beiden Figuren und von da an würde die Handlung Fahrt aufnehmen. Die Wahrheit könnte kaum ferner liegen. In Wirklichkeit wird man genötigt, rund 85% des Buches mit dem Aufwachsen und der Vorgeschichte der beiden Figuren zu verbringen, währenddessen die Begegnung und dessen Folge gerade einmal 5% des Werkes ausmachen. Der Rest wird aufgefüllt von Worten Nothombs und der Integrierung eines Märchens, das die Autorin in ihrem Monolog selbst erwähnt hatte.

An dieser Stelle darf nun die Frage in den Raum geworfen werden, ob es nicht sinniger gewesen wäre, den Klappentext dahingehend mit etwas mehr Wahrheitssalz zu würzen und so die Möglichkeit zu geben, nicht bei jedem Umblättern auf die versprochene Begegnung warten zu müssen. Hätte man es beispielsweise als die Lebensgeschichte zweier unterschiedlicher, aber seelisch verbundener Menschen angepriesen, die sich zu späten Zeitpunkten ihres Lebens begegnen, wäre die Erwartungshaltung nicht konterkariert worden.

Das, was Nothomb schreibt, überzeugt. Doch es erfüllt zugleich nicht, was der Klappentext versprochen hat. So bleibt man wohl mit dem Gefühl zurück, an einem vollends glücklichen Ende leicht vorbeigeschrammt zu sein.

Bewertung 3/5

 

Buchdetails:

Gebundene Ausgabe: 192 Seiten

Verlag: Diogenes; Auflage: 2 (26. September 2018)

Sprache: Deutsch

ISBN-10: 9783257070422

ISBN-13: 978-3257070422

ASIN: 325707042X

Originaltitel: Riquet à la houppe

Größe und/oder Gewicht: 12,1 x 1,7 x 18,8 cm

Klappentext: ,,Der kluge Sonderling Déodat liebt das einsame Studium der Vögel, die Beobachtung ihres Flugs am Himmel über Paris. Auch Trémière wächst isoliert auf, im verwunschenen Haus ihrer exzentrischen Großmutter. Und wie Déodat lernt sie früh, die Dinge genau zu betrachten und in ihrem Wesen zu erfassen. Eines Tages trifft der altkluge Junge auf das bildhübsche Mädchen, und eine wundersame Geschichte nimmt ihren Lauf.“

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