Von sprechenden Möbeln und rollenden Augen

 

 

Wer mit dem Disneyfilm „Die Schöne und das Biest“ vertraut ist, wird die Prämisse dieses Romans bekannt vorkommen: Gegenstände werden zum Leben erweckt und bekommen die Fähigkeit zu sprechen. Waren es im Zeichentrickfilm noch Uhren und Kerzenständer, sind es in Fatou Diomes Ketala sowohl Dekorationen, Schmuck, Möbel- als auch Kleidungsstücke. Man könnte beinahe sagen, der ganze Haushalt einer Wohnung darf in diesem Werk das Plappern anfangen.

Anlass hierfür sind der Tod der früheren Bewohnerin eben jener Wohnung und die selbst auferlegte Pflicht der Gegenstände, die Geschichte dieser Frau zu erzählen.  Eine durchaus interessante Perspektive, die von der im Senegal geborenen Autorin Fatou Diome gewählt wurde. Insbesondere, da sie hierbei einige spannende Fragen als Leitmotiv ihrer Erzählung wählt: Was für Geschichten könnten wohl die Dinge erzählen, die stets stumm bei uns sind und lediglich einen Dienst verrichten? Welche Geheimnisse und Erinnerungen tragen sie in sich? Welche Eindrücke bleiben erhalten, wenn der Mensch von dannen zieht? Sind wir wirklich vergänglich, solange es Gegenstände gibt, die uns mittels oraler Überlieferung am Leben erhalten können?

Jede dieser Fragen hat ihre Berechtigung. Einen ganzen Roman darauf aufzubauen, exemplarisch aufzuzeigen, wie beispielsweise Perlenketten Geschehnisse wahrnehmen oder Blusen dazu aufzurufen, ihre Sicht zu schildern, ist ein verspielter, und zum Teil lobenswerter Ansatz. Das große Problem liegt jedoch darin, dass diese Gedankenspiele für eine Kurzgeschichte perfekt gewesen wären. Für einen Roman hingegen nicht. Schon nach wenigen Seiten wird LeserInnen das oftmals aus dem Ruder laufende Gequassel, nicht anders kann man es bezeichnen, der Möbel stören und man verliert die Bindung sowohl zum Roman als auch zur toten Figur, die eigentlich geehrt werden soll.

Dies geschieht aus dreierlei Gründen: Einerseits werden den Gegenständen unterschiedliche Charaktereigenschaften gegeben, die völlig aufgesetzt wirken. Diome hielt es offenkundig für eine gute Idee, jedem einzelnen sprechenden Möbelstück eine Persönlichkeit, ja sogar eine Seele, zu geben, die sich allesamt unterscheiden müssen. Wer welche Eigenschaften erhielt, ist aber weder mit Logik oder Rationalität, sondern höchstens durch den Einsatz eines Würfels zu erklären. Auch der Grund für charakterliche Auswüchse ins Hysterisch-Schnippische ist mehr als zweifelhaft. Hierdurch ergibt sich auch der störende Umstand, dass zwischen den Gegenständen Gespräche beginnen, die von der eigentlich Thematik wegführen und ihnen somit eine gewisse Sinnlosigkeit innewohnen lässt. Es darf beispielsweise angezweifelt werden, dass die Menschheit wirklich darauf gewartet hat, dass eine Bluse mit einem Sofa streitet.

Andererseits stehen die zu oft fragwürdigen Gespräche, die selten Interessantes zu Tage fördern, in direktem Kontrast zu Passagen, in denen die Sprache künstlich überstilisiert und überpoetisiert wurde. Es wirkt in diesen Momenten nicht selten, als hätte Diome es sich zur Aufgabe gemacht, doch noch einen Wert in dieses Werk fließen lassen und ihre Schreibehre verteidigen zu wollen. Wer sich durch die Kaffeeklatsch-Gespräche der Möbel zwang, sollte wohl mit einem Grad an Poesie und rhetorischen Mitteln belohnt werden, dass man wie von einer Tsunamiwelle weggeschwemmt wird. Doch auch das gelingt nur selten. Hätte die Autorin die Ausflüge in schreiberisches Können besser auf das gesamte Buch verteilt und den Möbeln nicht das Schnattern erlaubt, wäre es wohl für alle Beteiligten — das schließt die LeserInnen ein — besser gewesen.

Abschließend sei an dieser Stelle deutlich gelobt, dass sich ein Verlag wie Diogenes darum bemüht, auch afrikanische Literatur in die hiesigen Bücherregale zu bringen. Das ist wichtig und erlaubt LeserInnen, den eigenen Horizont zu erweitern. Dennoch ist jede Aufnahme eines Buchers eines fernen Landes bzw. Kontinents immer auch ein Repräsentant für die dortige Literaturbranche. Wer beispielsweise einen Murakami liest, wird einen kleinen Einblick ins literarische Japan erhalten; wer Vargas Llosa eine Chance gibt, kann die chilenische Schreibkunst erahnen.

Man kommt als LeserIn nicht umher, das Gelesene und dessen Eigenschaften mit dem zu vergleichen, was der eigene Buchmarkt hergibt und auf Basis dessen wird entschieden, ob man die Unterschiede zelebriert oder den Blick von der fremden Gegend wieder abwendet. Es ist zu befürchten, dass Diogenes weder sich noch der Repräsentation der afrikanischen Literatur einen Gefallen getan hat, Ketala in ihr Sortiment aufzunehmen. Ein Werk, in dem die Puppen zwar nicht tanzen, die Möbel aber haltlos plappern, ist nichts, was Lust auf mehr macht. Im Gegenteil: man sehnt sich danach, lieber noch einmal „Die Schöne und das Biest“ anzugucken, in dem das Mobiliar nur kurze Gastauftritte hatte. Damit ist man auch schneller durch als mit dem vorliegenden Roman von Diome. Win-Win für jeden.

Bewertung: 2/5

Buchdetails

Taschenbuch: 256 Seiten

Verlag: Diogenes; Auflage: New edition (20. März 2019)

Sprache: Deutsch

ISBN-10: 3257244894

ISBN-13: 978-3257244892

Größe und/oder Gewicht: 11,1 x 2 x 17,7 cm

Klappentext:

„Wer ist die Frau, die zum Sterben nach Afrika zurückgekommen ist? Man weiß nichts von ihr. Ihre treuesten Begleiter, einige Habseligkeiten, drohen in Kürze in alle Winde zerstreut zu werden. Doch vor der Erbteilung bleiben den Möbeln noch sechs Nächte und fünf Tage, um einander die abenteuerliche Geschichte ihrer Besitzerin zu erzählen.“

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