Wenn zu viel Spielerei auf zu wenig Elefant trifft.

 

 

 

Grundgedanken & Prota

Genforschung als ein Thema in der heutigen Welt zu wählen, mag zwar keine neue, aber dennoch außergewöhnliche Entscheidung sein, da sich nur wenige Autoren an die Komplexität herantrauen. Der Autor dieses Werkes wählt hierbei sogar noch einen eigenen Weg, der sich von vorheriger Literatur, die das Thema Genforschung beherbergt, wie z.B. Aldeous Huxleys “Brave New World” oder Orson Scott Cards “Ender’s Game” abhebt, da nicht etwa Menschen genetisch verändert werden sollen. In diesem Roman geht es um einen Elefanten und er leuchtet.

Martin Suter zeichnet sich für diese Geschichte verantwortlich, in der ein rosafarbener Elefant geboren wird, der kaum größer als so manches Spielzeug ist und alleine dadurch bereits eine Weltsensation darstellt, die ein Teil der Figuren geheim halten will, während andere bereits die eigenen Taschen vor Geld überfließen sehen. Es geht in diesem Roman um Intrigen, Naturschutz und die große Frage nach der Verantwortung wissenschaftlichen Fortschritts.

Die Protagonisten dieses Romans sind so mannigfaltig, dass jede genauere Beschreibung ihrer Rollen und charakterlichen Ausprägungen bereits viele Seiten füllen könnten und — schlimmstenfalls — zu viel über die Handlung verraten würde. Aus diesem Grund soll eine kurze Charakterzeichnung an dieser Stelle ausreichen: eingeführt wird man in den Roman durch den Obdachlosen Schoch, dem man eine ganze Weile folgt und sein Leben vorgeführt bekommen. Diese eher tragische Episode wechselt sich dann mit Roux ab, dem Genetiker, der den Elefanten überhaupt erst in seiner Form erschaffen hatte. Mit ihm verbringt man ungefähr die Hälfte der Vergangenheitskapitel. In der anderen Hälfte kommt ein Tierarzt namens “Reber” zur Geltung, aber auch der Elefantendresseuer Kaung erhält eigene, meist kurz geratene Kapitel, in denen er die Handlung eine eigene Note geben kann.

Klingt verwirrend? Ist es auch, da nicht immer klar wird, warum welche Figur nun gezeigt wirkt. Manche Wechsel wirken nahezu willkürlich und sind nicht zwingend durch die innere Logik der Handlung geklärt.

Struktur und Fokus

Im Bereich der Struktur hat sich Suter für eine äußerst aufwendige Variante entschieden: so wird die Geschichte von Schoch und dem Elefanten in einigen Kapiteln erzählt, die zu Beginn meist im Jahr 2016 angesiedelt sind, während gleichzeitig gezeigt wird, wie es überhaupt zu dem rosafarbenen Elefanten kam und wie er in die Hände von Schoch fiel. Dieser zweite Erzählstrang beginnt drei Jahre vorher und nähert sich schrittweise der Gegenwart an, bis er sie irgendwann eingeholt hat.

Während die Gegenwart zu großen Teilen von Schoch und seine Erlebnissen definiert ist, sind es Roux und Reber, die in den Kapiteln der Vergangenheit die Geschicke in den Händen halten. In allen Bereichen gibt es allerdings auch zahlreiche Rückblenden oder Figureneinführungen, die sich außerhalb der eigentlichen Geschichte befinden und dazu dienen sollen, die Figur möglichst plastisch darzustellen.

Erstaunlich ist, dass der Elefant eher eine untergeordnete Rolle spielt und der Fokus des Romans deutlich auf den genannten Figuren liegt, die entweder über den Elefanten sprechen, sich um ihn sorgen oder agieren, um ihn überhaupt erstmal unter ihrer Kontrolle zu haben. Die Seiten, in denen jedoch der Elefant agiert, sind deutlich unterrepräsentiert.

Sprache

Die Sprache des Romans lässt sich nur schwer kategorisieren, da sie sich selbst verflüchtigt. Es gibt kaum Sätze, die über längere Zeit im Gedächtnis bleiben, Äußerungen, die ins Herz treffen oder eine sonstige emotionale Ebene hervorrufen. Es ist eine eher distanzierte, nahezu emotionslose Sprache, in der keine Lenkung durch den Autors stattfindet, wie man in welcher Situation reagieren soll. Es ist, als hätte Suter den Sätzen wissentlich jedwede Schönheit und Eleganz geraubt, sodass man sich wie in einem klinischen literarischen Labor fühlt.

Die Sätze haben meist eine eher kurze Länge, ebenso wie die meisten Kapitel auch, die Wortwohl wird nur in den Momenten etwas komplizierter, wenn biologische Prozesse beschrieben werden, allerdings lässt einen der Autor hierbei auch nie im Stich, sodass der erste Eindruck, man könnte durch das Buch aufgrund seiner sprachlichen Einfachheit fliegen, bis zur letzten Seite aufrechterhalten wird.

Lesegefühl

Die Entscheidung, den Roman auf eine solch komplizierte Art zu strukturieren, ist wohl des Spieltriebs des Autors geschuldet, denn weder auf der Ebene der Spannung noch der einer emotionalen Bindung erscheint es logisch, konstante Zeitsprünge zu nutzen, die zumeist auch mit einem Figurenwechsel einhergehen. Es fällt ab und an schwer, eine persönliche Bindung zu den Figuren aufzubauen, da sie zwar gut beschrieben sind und glaubwürdig agieren, aber dennoch hätte eine stringentere Erzählweise mit weniger Figuren der Dramatik des Romans gut getan.

Besonders tragisch ist hierbei, dass man sich als Leser vielmehr mit dem Elefanten beschäftigen möchte und man bei jedem weiteren Kapitel danach sehnt, ihn endlich wieder als Teil der Geschichte wissen zu können, da auch der Leser von der Faszination dieses Wesens schnell ergriffen wird. Die anderen Figuren wissen zwar inhaltlich ebenfalls zu gefallen und sind trotz ihrer Vielzahl unterschiedlich genug gestaltet, aber für einen Roman mit dem Titel Elefant mit einem solchen Fokuspunkt, geizt das Buch nahezu mit Szenen mit eben jenem Elefanten. Es wirkt hierbei ein wenig, als wolle Suter dem Leser auf inhaltlicher Eben zeigen, die Menschheit könnte mit einer solchen biologischen Sensation nicht umgehen und auch Leser seien hierfür noch nicht bereit.

Auffällig ist außerdem, dass bis zum Ende des Romans nicht ganz offensichtlich wird, welchem Genre sich Suter am ehesten zuschreibt, da dieses Werk für einen Thriller zu harmlos, spannungsarm und ruhig, für einen literarischen Roman zu wissenschaftlich und sprachlich verarmt, und für einen Science-Roman zu viel der anderen beiden Komponenten enthält. Schlussendlich erscheint es sogar, als wäre es kapitelabhängig, welche der drei Varianten überwiegt.

Dies schmälert den Leseeindruck nicht beträchtlich, aber ebenso wie die Ausflüge in die Genetik, provoziert dieses Buch eine Reibung zwischen unterschiedlichen Geschmäckern: wer beispielsweise bereits den großen Themenbereich der Genetik in der Schule hatte, wird hier wenig Neues lernen und es wird zu Langeweile kommen, wer einen Hochgeschwindigkeitsthriller erwartet, wird leider ebenso wenig fündig werden wie jene, die ein literarisches Meisterwerk im Range eines “Brave New World” erhofften. Elefant ist ein strukturell aufwendiges Werk, das viele gute einzelne Komponenten besitzt, aber letztendlich mehr Mut hätte haben dürfen, die Komplexität der Erzählweise zu vernachlässigen und dafür mehr Genre-Stärken auszunutzen. Insbesondere eine klarere Entscheidung für eine eigene Identität und einen erzählerischen Fokus auf die Gegenwart mit dem Elefanten, anstatt einen Großteil in der Vergangenheit ohne ihn zu verbringen, wäre für das Lesevergnügen förderlich gewesen. So bleibt ein guter Roman, der an manchen Stellen überambitioniert zu sein scheint, dem jedoch zweifellos gewisse Grundqualitäten nicht abzusprechen sind.

Bewertung: 3/5 

 

Buchdetails

Gebundene Ausgabe: 352 Seiten

Verlag: Diogenes; Auflage: 2 (18. Januar 2017)

Sprache: Deutsch

ISBN-10: 3257069707

ISBN-13: 978-3257069709

Größe und/oder Gewicht: 12,6 x 2,5 x 18,8 cm

Klapptentext:

„Ein Wesen, das die Menschen verzaubert: ein kleiner rosaroter Elefant, der in der Dunkelheit leuchtet. Plötzlich ist er da, in der Höhle des Obdachlosen Schoch, der dort seinen Schlafplatz hat. Wie das seltsame Geschöpf entstanden ist und woher es kommt, weiß nur einer: der Genforscher Roux. Er möchte daraus eine weltweite Sensation machen. Allerdings wurde es ihm entwendet. Denn der burmesische Elefantenflüsterer Kaung, der die Geburt des Tiers begleitet hat, ist der Meinung, etwas so Besonderes müsse versteckt und beschützt werden.“

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