Zwischen Schwindel & Schach

 

 

Dieses Buch ist eine Seltenheit. Allerdings nicht etwa aufgrund des ausgewählten Themas oder der Integrierung von Illustrationen. Es ist besonders, weil bereits zu Beginn dieser Rezension auf dreierlei Etikettenschwindel aufmerksam gemacht, ja sogar davor gewarnt werden muss.

Da wäre zum Beispiel das Cover mit dem Zusatz „Illustriert von Sempé“. Dieser Hinweis suggeriert geneigten LeserInn, dass extra ein – mehr oder minder bekannter – Illustrator engagiert wurde, um passend zur Geschichte visuelle Anreize zu liefern. Dies könnte jedoch kaum ferner von der Wahrheit sein, da ganz am Ende, auf Seiten, die man nach Beenden eines Buches gerne überblättert, offenbart wird, dass die Illustrationen bereits existierenden Werken entnommen wurden.

Aber mit einer solchen Nebensächlichkeit könnte man als LeserIn noch leben, wenn die ausgewählten Bilder wenigstens zum Thema oder zur beschriebenen Szenerie passen würden. Das tun sie allerdings viel zu selten. Oftmals wirken die Bilder, so hervorragend sie gezeichnet sein mögen, wie überflüssiges Füllmaterial. Man ertappt sich sogar dabei, wie einen die Bilder regelrecht aus der Handlung reißen. Da wird beispielsweise gerade eine Situation auf dem Schachbrett  beschrieben und direkt auf der gegenüberliegenden Seite steht ein alter Mann im Park und macht Yoga.

Ebenfalls fragwürdig ist das Zitat auf der Rückseite dieses Buches: „Hat man einmal zu lesen angefangen, will man gar nicht mehr aufhören vor lauter unerhörter Begebenheiten“ (Heinrich Detering, FAZ). An diesen Worten ist nichts auszusetzen, machen sie sogar Lust auf das Innere des Buches. Der Schwindel liegt hierbei jedoch darin, dass es um die wichtigste Stelle gekürzt wurde. Das wahre Zitat findet sich auf den letzten Seiten, erneut weit nach dem Schluss der Geschichte: „Hat man Patrick Süskind einmal zu lesen angefangen […]“. Hier können geneigte LeserInnen feststellen, dass das Köderzitat auf der Rückseite des Buches gar nicht das Werk selbst behandelt, sondern allgemein über den Autor geht. Zurecht steht es daher auch unterhalb der Beschreibung Patrick Süskinds. Wann es allerdings in welchem Zusammenhang über welches Werk gesagt wurde, ist nicht zu erkennen.

Der größte Etikettenschwindel aber findet sich auf dem Umschlag. Hier wird dieses Werk als eine „Novelle“ bezeichnet. Warum das von großer Bedeutung ist, sei einmal erklärt: Verlage haben oftmals keine Scham, Bücher, die eigentlich zu kurz sind, um sie als solche zu bezeichnen, dennoch mit dem Wort “Roman“ zu betiteln. Das bringt Verkäufe. LeserInnen wissen, was Romane sind und greifen daher zu. Das ist heute so, das war schon vor 60 Jahren so, wie man bei Marcel Reich-Ranickis „Nichts als Literatur“ nachlesen kann.

Nun aber die Unverfrorenheit zu besitzen, eine großgedruckte, mit exorbitantem Rand ausgestattete Geschichte, die auf nur 20 (!) Buchseiten steht, als eine Novelle, also einen Kurzroman, zu bezeichnen, geht deutlich zu weit. Die Verwendung des Wortes “Novelle“ erzeugt völlig falsche Erwartungshaltungen, die in jedem Fall enttäuscht werden. Es handelt sich bei „Ein Kampf“ um eine einzelne Kurzgeschichte. Und nur weil man diese mit teils passenden, teils unpassenden Illustrationen auf ein 73-seitiges Büchlein aufbläht, wird daraus noch keine Novelle. Wenn man einen Luftballon aufpustet, wird daraus auch kein Raumschiff.

Man mag an dieser Stelle dem Verlag zu Gute halten, dass der deutsche Buchmarkt, wie auch die LeserInnen, Schwierigkeiten haben, den Begriff “Novelle“ zu definieren. Das mag daran liegen, dass oft der einzige Ort, an dem man wirklich mit diesem Wort in aktivem Kontakt tritt, die Schule ist. Aus diesem Grund sei die amerikanische Richtlinie erwähnt, die im Übrigen auch teils unbenannt, teils unbewusst in Deutschland Verwendung findet: hat ein Buch 10.000-40.000 Worte ist es eine Novelle. Alles darunter ist eine Kurzgeschichte, darüber ein Roman. „Ein Kampf“ ist mit seinen gerade einmal grob geschätzten maximal 5500 Worten weit davon entfernt, überhaupt daran denken zu können, eine Novelle zu sein.

Jedoch könnte man an dieser Stelle alle diese Dinge vergeben und vergessen, wenn die mit verhältnismäßig großer Schrift und ebenso großem Zeilenabstand erzählte Kurzgeschichte packend und famos wäre. Doch das ist sie nicht. Mehr als 70% der Zeit wird LeserInnen ein Schachkommentar geboten, der sich liest, wie sich Fußballkommentare anhören. Zwar sind sowohl die zwei Schachspieler als auch deren Wirkung auf das Publikum interessant dargestellt und man könnte sogar von einem gewissen Generationenkonflikt sprechen, der Potenzial für Spannung bietet. Jedoch wird dieses Konstrukt zu sehr von Beschreibungen von Schachzügen überlagert, sodass es zwar auf dem Brett Bewegung gibt, allerdings nicht zwischen den Figuren.

Und so sind es am Ende die LeserInnen, die nach einer maximalen Lesezeit von 15 Minuten  — dann wird man die 20 Seiten Text geschafft haben — den eigenen König hinwerfen und das Buch in die Ecke legen. Kopfschüttelnd mit der Frage: Was hätte nur aus dir werden können?

 

Bewertung: 2/5 (Eine Bonuseule für die Zeichnungen)

Buchdetails

Gebundene Ausgabe: 80 Seiten

Verlag: Diogenes; Auflage: 1 (20. März 2019)

Sprache: Deutsch

ISBN-10: 325707011X

ISBN-13: 978-3257070118

Größe und/oder Gewicht: 13,1 x 1,2 x 20,5 cm

Klappentext: ,,Zwei Männer spielen Schach im Pariser Jardin du Luxembourg. Der eine ist ein genialischer Emporkömmling, der andere ein alter Champion, der in seinen Denkmustern gefangen ist. Wem schenkt das Publikum seine Gunst? Wessen König fällt zuerst?“

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