Erstklassiger Ritt in ungeahnte Höhen!

 

 

Grundgedanken & Prota

Betrachtet man das Cover und wirft man einen Blick auf den Klappentext, wird man automatisch in einen Zustand interessierter Vorfreude versetzt. Das liegt nicht etwa am Genre oder an der lesenswert klingenden Geschichte, sondern am Setting des Romans, das wunderbar unverbraucht ist und somit spannendes Potential bietet: Wien zur Zeit des gerade erst verlorenen ersten Weltkrieges im Jahre 1919 ist als Hintergrund etwas Besonderes und offenbart eine Fülle von Möglichkeiten, die Gesellschaft, ihre Probleme und eine Reihe an historischen Eigenheiten der damaligen Zeit zu präsentieren. 

Die Autorin Alex Beer hat sich durch die Wahl des Settings also bereits einen Vorteil gegenüber vielen anderen Kriminalromanen erdacht und erschrieben, da sie hierdurch eine Atmosphäre aufbauen kann, die ihrer Zeitreise eine außergewöhnliche Faszination gibt. Die unterschiedlichen Ausgangspunkte erlauben es ihr, ein Bild von einer der schönsten Städte Europas zu zeigen, das verheerender kaum sein könnte: Die Welt dieser damaligen Stadt ist düster, geprägt von Armut, Korruption und Prostitution. Hunger und Leid herrschten auf den Straßen und den kaum beheizten Wohnungen, während Gebeine und andere Körperteile von Schrapnellen, sowie Herzen von Erinnerungen an den Krieg und besseren Zeiten durchbohrt waren.

Inmitten dieser abstoßend-erschreckenden Umstände gibt es natürlich auch den für Kriminalromane typischen Kommissar, in diesem Falle ein Rayoninspektor namens Augustin Emmerich. Er ist, bis auf einige Ausnahmen, der Protagonist eines jeden Kapitels und gliedert sich in die fehlerhafte Gesellschaft ein, da auch er sein Leben mit einem charakterlich zwiespältigen Profil führt. Er ist ein Kriegsrückkehrer und auch wenn seine körperliche Verfassung seine geistige mit massiven Schmerzen stellenweise beeinflusst, präsentiert die Autorin diese Figur in einer Genauigkeit und schonungslosen Offenheit, dass man manchmal Schwierigkeiten hat, sich mit ihr identifizieren zu können. Dennoch entsteht über die Zeit eine starke Leserbindung an ihn, denn Emmerich ist im besten Sinne ein angeknackster Mensch in einer Welt, die zu Bruch gegangen ist. Er handelt stets in dem Bemühen, den letzten Rest an Moralisten-Dasein nicht auch noch durch die Abwasserkanäle von Wien hinuntergespült zu sehen. Er ist ein manischer, sich selbst aufopfernder Idealist, dem es um Gerechtigkeit geht, und gleichzeitig ist er Realist genug, sich darüber bewusst zu sein, dass Rechtmäßigkeit nicht immer in den Grenzen des Gesetzes zu finden ist.

An seiner Seite steht sein ungeliebter wie auch ungewollter Handlanger Winter, der zu Beginn des Romans eher wie ein Klotz am Bein des erfahrenen und kaum auszutricksenden Emmerichs ist, aber durch seine konträren Charaktereigenschaften eine gute Balance mit der Hauptfigur besitzt. Hierdurch gewinnt er sowohl für die Handlung als auch für den Leser mit fortschreitender Seitenzahl eine wachsende Bedeutung, die sich positiv auf den Lesefluss auswirkt.

Struktur & Fokus des Romans

Dieser Roman zeichnet sich durch eine nicht wirklich außergewöhnliche, aber dafür erstaunlich effektive Montage-Technik aus, die darin besteht, einige Kapitel lang dem Protagonisten Augustin Emmerich zu folgen, was aber in unregelmäßigen Abständen  — und damit zur Überraschung der Leser — von Perspektivenwechseln unterbrochen wird, um andere Figuren, die für die Geschichte eine Bedeutung haben, zu beleuchten. Diese Ausbruchskapitel aus der erzählerischen Norm sind meist sehr kurz, erzeugen aber durch ihr alternatives inneres Tempo eine gute Brücke zwischen den bisher geschehenen und den zukünftigen Elementen des Romans.

(Aus Spoilergründen wird an dieser Stelle darauf verzichtet, weiter auf die Bedeutung der gesonderten Kapitel einzugehen.)

Sprache

Bei Kriminalromanen bleibt meist nicht viel Spielraum für eine möglichst poetische Sprache, die in ihrer inneren Struktur auch noch einzigartig ist. Alex Beer schafft es jedoch, weitestgehend auf Genre-typische Phrasen zu verzichten und bietet eine Schreibart, die intellektuell ansprechend daherkommt und sich mindestens eben so neu und unverbraucht anfühlt wie der Ort und Zeitpunkt des Geschehens.

Zusätzlich ist lobenswert, dass der Roman nie in Effekthascherei verfällt oder sich vom Tempo der Situation treiben lässt, und dabei an sprachlichem Niveau verliert. Außerdem existiert eine stets respektvolle Distanz zu den Figuren, ohne sie aber dadurch weniger sympathisch oder die Geschichte weniger folgenswert zu machen. Die teilweise auftretenden Ausflüge in den Wiener Dialekt helfen ebenfalls dabei, eine gelungene und vor allem glaubhafte Atmosphäre zu schaffen.

Lesegefühl

Bereits auf den ersten Seiten wird deutlich, dass vor allem die Atmosphäre das Lesegefühl definieren wird: es ist dieses unterschwellige Bedrohlichkeit in Verbindung mit einer spürbar zerbrochenen Gesellschaft, die einen schnell in den Bann zieht und das Buch nicht mehr aus den Händen gleiten lässt. Die Darstellung der Menschen kurz nach einem verlorenen Weltkrieg ist hervorragend gelungen und offenbart nicht nur die äußerlichen Wunden des Krieges, sondern besitzt auch noch ein starkes Augenmerk auf die inneren Verletzungen. Wien ist mit seinen Bewohnern der heimliche Star dieses Werkes und besitzt ebenso viel Strahlkraft wie die Hauptfigur und die fortlaufende Mordermittlung.

Der Mordfall an sich rückt zwar während des Voranschreitens der Geschichte in einigen Momenten in den Hintergrund, weil die Beschäftigung mit den Vertretern der Gesellschaft und ihren Leben ebenfalls Aufmerksamkeit fordern, aber dies ist nötig, um Leser an die Situation zu binden. Meist ist es dann Emmerich selbst, der die Geschicke wieder in Richtung Mordermittlung leitet. Dabei fällt vor allem sein Konflikt auf, sich als Mensch voller idealistischer Überzeugung in einer Welt mit mangelnder Rechtschaffenheit zurechtzufinden und trotzdem an sein Ziel zu kommen. Nicht selten ist er genötigt, die Grenzen der Legalität auszudehnen, um das größere Übel bekämpfen zu können. Es ist eine lebhafte Figur, der man ohne Zögern folgen will und auch wenn sie selbst ein Produkt der gesamten gebrochenen Gesellschaft darstellt, ist sie dennoch ein Ruhepol an Gerechtigkeit, den diese zu zerfallen drohende Stadt nötig hat.

Diese starke Figurengestaltung in Verbindung mit einer beeindruckenden sprachlichen Vielfalt, einigen erzählerischen Kniffen und einem Krimi-Verlauf, der fesselnd ist, sind die Glanzpunkte dieses überzeugenden Werkes. Der zweite Reiter ist daher einer der wenigen Kriminalromane, der von einem Gütesiegel wie “besonders wertvoll” nicht niedergedrückt würde, sondern ihn mit Würde tragen könnte. Er hätte ihn verdient. 

Bewertung: 5/5 

Buchdetails

Gebundene Ausgabe: 384 Seiten

Verlag: Limes Verlag; Auflage: 1. Auflage (27. März 2017)

Sprache: Deutsch

ISBN-10: 3809026751

ISBN-13: 978-3809026754

Größe und/oder Gewicht: 14,5 x 3,8 x 22,1 cm

Klappentext:

„Er ist dem Grauen der Schlachtfelder entkommen, doch in den dunklen Gassen Wiens holt ihn das Böse ein …

Wien, kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs: Der Glanz der ehemaligen Weltmetropole ist Vergangenheit, die Stadt versinkt in Hunger und Elend. Polizeiagent August Emmerich, den ein Granatsplitter zum Invaliden gemacht hat, entdeckt die Leiche eines angeblichen Selbstmörders. Als erfahrener Ermittler traut er der Sache nicht über den Weg. Da er keine Beweise vorlegen kann und sein Vorgesetzter nicht an einen Mord glaubt, stellen er und sein junger Assistent selbst Nachforschungen an. Eine packende Jagd durch ein düsteres, von Nachkriegswehen geplagtes Wien beginnt, und bald schwebt Emmerich selbst in tödlicher Gefahr… “

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Vergleichbare Bücher:

Der Trümmermörder

Der eiserne Sommer

Kindersucher

 

 

 

 

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